Te Deum

Te Deum (Justin Heinrich Knecht; Hsg. Ralf Klotz)

Notenmaterial bei Ralf Klotz erhältlich

Dauer: 35 Minuten

Besetzung: Chor SATB-SATB (doppelchörig), Soli SATB und Orchester (2 Trp, Pk,  2 Hrn, 2 Fl, 2 Ob, 2 Klar, 2 Fg, Streichern und Orgel)

 

Das Te Deum

aus dem Jahr 1801 ist in mehrerer Hinsicht ein bemerkenswertes Werk. Zum einen in der vollen Orchesterbesetzung mit allen Holzbläsern, zum andern in der durchgehend doppelchörigen Anlage des Chores und der Solisten, in allen Varianten abwechslungsreich durchgeführt.
Der zu Knechts Zeit vielvertonte Text bildet die Grundlage zu einem seiner umfangreichsten kirchenmusikalischen Werke, besetzt mit Soli, Doppelchor, 2 Trp, Pk,  2 Hrn, 2 Fl, 2 Ob, 2 Klar, 2 Fg, Streichern und Orgel. Das Werk läuft im Chorsatz nicht selten real achtstimmig bei gleichzeitiger sanglicher Einzelstimmführung. Im Vergleich zu seinen Kantaten nimmt Knecht hier wenig Rücksicht auf den Anspruch seiner Chorkomposition. Es befindet sich, abgesehen vom Duett Nr. 3 "Tu, rex gloriae, Christe", bemerkenswerterweise keine Arie in dem Stück.

Es sind erste Ansätze zum Überleiten von Satzteilen erkennbar, wenngleich das Werk klar siebenteilig ist. Nach interessanten doppelchörigen Spielereien und modisch-melodiösen Dreiklangsbrechungen des Tutti-Eingangschores reizen im Sanctus die Echoeffekte. Das sich anschließende "Pleni sunt coeli" nimmt die Musik des Anfangs wieder auf, ein Mittel, dessen sich Knecht auch bei Nr. 4 bedient. Das "Tu, rex gloriae, Christe" will virtuos und glorios sein, im "Per singulos dies" (Nr. 5) singen die Solisten den einen, die Chorsänger den zweiten Chor. Dabei verlangt Knecht den Solisten Beweglichkeit in den Verzierungen und Koloraturen ab. Die Schlußfuge ist, gerade unter dem Aspekt der Möglichkeiten der Doppelchor-Technik betrachtet, ein Meisterwerk. Es ist eine Doppelfuge, bei der der erste Chor zunächst ein chromatisch durchsetztes erstes Fugenthema durchführt, sich der zweite Chor mit der Durchführung eines kontrastierenden Achtel-Themas anschließt, um (nach einer ersten und zweiten Fugendurchführung) dann in einem dritten Teil raffiniert zu verschmelzen.

Das Werk ist dem Kaiser Franz II. und dem ersten Consul Napoleon Buonaparte gewidmet. Auf dem Titelblatt der Andréschen Ausgabe der gedruckten Einzelstimmen lesen wir (übersetzt aus dem Lateinischen):

"Hymnus / Te Deum laudamus / für acht menschliche Stimmen / welche in zwei, bald wechselnd bald zusammen singende Chöre / verteilt sind, / und sechzehn Musikinstrumente... Dieses große, aus zwei Sing=Chören bestehende und in seiner Art ziemlich einzige Werk, [...ist] zunächst für ein großes Orchester bestimmt, und [kann] freylich nur dann die gehörige große Wirkung hervorbringen, wenn es mit allen Stimmen aufgeführet wird... Uebrigens müssen beyde Sing=Chöre bey Aufführung dieses Stückes einander gegenübergestellt werden, damit sowohl ihre Abwechslung, als ihre Wetteiferung desto bemerkbarer gegen einander abstechen.      Der Verfasser."

Ralf Klotz

Justin Heinrich Knecht (1752-1817)

wirkte in Biberach an der Riss und am Stuttgarter Hof und galt zu seiner Zeit als einer der angesehensten Komponisten in Süddeutschland und im deutschsprachigen Raum. Joseph Haydn selbst brachte Knecht höchste Wertschätzung entgegen. Bisher war Knecht in Musikerkreisen v.a. bekannt durch seine Orgelwerke. Die Noten und CD mit Knechts "Te Deum" schließt einen Teil der Lücke in diesem Bereich und stellt seine Chormusik gleichzeitig einem breiten Publikum zur Verfügung.

Knecht wurde am 30. September 1752 in Biberach als Sohn des Kollaborators (Behelfslehrer) und evangelischen Kantors Johann Georg geboren. Waehrend seiner Ausbildungslaufbahn im Alumnat (Pflegestaette von kirchlichem Chorgesang und Instrumentalmusik), an der Lateinschule und schliesslich, sechzehnjährig, am Kollegiatstift Esslingen foerderten ihn fundiert im Klavier-, Orgel-, Violinspiel, Gesang, im Spielen verschiedener Blasinstrumente, im Komponieren und Sachverstand der evangelische Musikdirektor Doll, der Organist Cramer und der Dichter Chr. M. Wieland. In Esslingen wurde er angeregt durch das Orgelspiel des Musikdirektors G. D. Schmid und Chr. F. D. Schubarts Klavierspiel. Hier lernte er spaetbarocke Kompositionen und musiktheoretische Schriften, insbesondere von Marpurg und C.P.E. Bach, kennen. Neunzehnjaehrig kehrte Knecht im Jahr 1771 nach Biberach zurueck und trat in der Nachfolge von Doll als Musikdirektor - neben der Mitwirkung bei der Evang. Komoediantengesellschaft - sein anstrengendes Doppelamt in Kirche und Schule an, weswegen ihm ein Universitaetsstudium untersagt blieb. Erst 1792 konnte er sein Lehramt beenden und uebernahm das evangelische Organistenamt an der simultanen Stadtpfarrkirche.

Knecht konnte schon in fruehester Jugend die Musik seiner Zeitgenossen studieren in Konzerten der Warthauser Hofkapelle des Grafen Stadion und in den Partituren des lokalen Musikgeschaeftes Kick. Knecht konzertierte, komponierte und verfasste musiktheoretische und musikpaedagogische Schriften, und hob das buergerliche Musikleben in Biberach auf einen ansehnlichen Stand.

Sein Verlangen nach groesserer Entfaltungsmoeglichkeit und Ortswechsel wurde allerdings erst im Jahre 1806, im Alter von 54 Jahren, erfuellt. Er wurde vom wuerttembergischen Koenig zum 2. Musikdirektor ("Direktor beim Orchester") am Stuttgarter Hof ernannt, eine Stellung, von der er aber - weil er mit der Situation am Hof nicht klar kam - schon wieder im November 1808 entlassen wurde. Knecht soll - so beschrieben in J. B. Pflugs "Erinnerungen eines Schwaben" - hierzu gesagt haben: "...da will ich lieber in Biberach bei meinem Bierle sitzen, als eine solche Hofluft atmen, die mich vom freien zum unfreien Menschen machte. Nur keine solche eigenliebische, niemals fehlen wollende Musik=Menschen dirigieren zu wollen!". So setzte er sein Schaffen wieder in seiner alten Funktion in Biberach fort, beeinflusst vom Vorbild des zeitgenoessischen Theoretikers Georg Joseph (Abbé) Vogler, wo er nach einem Schlaganfall am 1.12.1817 starb. Sein Geburtshaus stand auf dem Obstmarkt, sein Wohnhaus liegt zwischen Weberberg und Marktplatz, heute Justin-Heinrich-Knecht-Strasse 1. Ein Epitaph in der Heilig-Geist-Kirche erinnert an ihn. Jakob Friedrich Kick wurde von 1818-76 Amtsnachfolger Knechts.

Knecht praegte das Musikleben Sueddeutschlands, Wuerttembergs und Biberachs beachtlich in seiner Position als musikalisches Bindglied zwischen Klassik und Romantik. Von vielen Zeitgenossen geschaetzt, hinterliess Knecht ein beachtliches Oeuvre an Kirchenmusik (Vokal- und Orgelmusik), aber vor allem auch an weltlicher Musik (Opern, Instrumentalmusik) und Lehrwerken, aus denen sein wuerttembergisches Choralbuch von 1799, seine Programmsinfonie "Portrait de la nature" von 1784 (85), und seine "Vollstaendige Orgelschule" von 1795/ 96/ 98 herausragen. Mit dem "Magnificat (1792)" und dem "Dixit Dominus (1800)" hat Knecht Kompositionspreise gewonnen. Am Ende eine Wuerdigung durch Joseph Haydn: "noch schliesse ich mich nicht aus, den Lorbeerkranz zu verdienen, dessen alle Komponisten, besonders aber Knecht, wuerdig sind."

Literaturhinweise: Georg Reichert: Knecht-Artikel in "Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG)" | Franz Schlegel, "Justinus Heinrich Knecht - Ein Biberacher Komponist" ; 1979 /80 | Dr. Michael Ladenburger: "Justin Heinrich Knecht - Leben u. Werk" ; Dissertation 1984